17.06.2024Ist das Ende der Nachhaltigkeit gekommen?
Es ist eigentlich surreal, einen Text mit dieser Überschrift zu verfassen, während ich hier zuhause in Sandkrug sitze, jenem Ort südlich von Oldenburg, der zum Jahreswechsel prominent in den
Es ist eigentlich surreal, einen Text mit dieser Überschrift zu verfassen, während ich hier zuhause in Sandkrug sitze, jenem Ort südlich von Oldenburg, der zum Jahreswechsel prominent in den Nachrichten war – Hochwasser bedrohte tagelang unsere Gemeinde. Während dieser Zeit erinnerte ich mich an meine Recherchen zum Klimawandel um 2007, als vorhergesagt wurde, dass wir in unseren Breitengraden wärmere und feuchtere Winter erleben würden. Nun sind sie da – warm und nass. Obwohl die Niederschläge nachgelassen haben, war der Februar 2024 der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen.
Der Klimawandel ist Realität und macht sich auch in den Versicherungskosten bemerkbar, insbesondere bei der Gebäudeversicherung. Diese Entwicklungen wurden bereits vor Jahren prognostiziert, basierend auf Daten der Klimafolgenabschätzung der Münchener Rückversicherung – ein Versicherer von Versicherern hatte also sehr klar die Gefahren und die damit verbundenen Kosten benannt.
Aber bedeutet dies das Ende der Nachhaltigkeit? Zum einen erleben wir eine Zeitenwende: Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat verdeutlicht, dass Verteidigungsfähigkeit einen hohen Stellenwert hat. Dies führt zu einer Renaissance der Rüstungsindustrie und stellt die ethische Frage, ob die Herstellung von Waffen für demokratische Staaten moralisch vertretbar ist. Gleichzeitig wird das Thema Energie neu beleuchtet, mit der Notwendigkeit, die grüne Energiewende voranzutreiben, aber auch einem verstärkten Interesse an fossilen Brennstoffen, sowohl an den Märkten als auch politisch.
Diese Zeitenwende führt zu einem konservativen Umschwung, der die Nachhaltigkeitsbewegung nicht unbedingt fördert. Zudem gerät das Thema in der gesellschaftlichen Debatte um “Wokeness” unter Druck, wodurch gute Ansätze diskreditiert werden können.
Auf der anderen Seite stehen die Menschen. Meine 17-jährige Erfahrung zeigt, dass viele skeptisch gegenüber Themen wie Altersvorsorge, Geldanlage und Kapitalmärkten sind, da sie diese als Ausdruck des Kapitalismus betrachten – ob grün oder nicht. Die Frage, wie grün “grün” wirklich ist, spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Investmentindustrie hat durch “Greenwashing” konventionelle Anlagen als nachhaltig vermarktet und damit der Idee der Nachhaltigkeit geschadet.
In meinen Jahren der Beschäftigung mit nachhaltiger Geldanlage und Altersvorsorge habe ich eine Vielzahl von Meinungen und Verhaltensweisen erlebt. Einige sind unwillig, sich mit dem Thema zu befassen, andere ignorieren es angesichts der Unsicherheit über die staatliche Rente und die Lebenserwartung. Aber es gibt auch begeisterte nachhaltige Anleger, die jedoch manchmal von konventionellen Finanzinstituten abgeschreckt werden, die ihre Angebote als nachhaltig bewerben, obwohl sie es nicht sind.
Die Komplexität und Intransparenz des Themas kann überwältigend sein und “Greenwashing” verunsichert die Anleger zusätzlich. Die Finanzindustrie sollte sich daher auf verlässliche, transparente Lösungen konzentrieren, die die Prinzipien der Nachhaltigkeit respektieren.
Trotz dieser Herausforderungen bleibt die Nachhaltigkeit ein zentrales Thema – nicht nur aus ökologischer Sicht, sondern auch aus wirtschaftlicher. Eine wissenschaftlich fundierte Geldanlage und Altersvorsorge, die Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt, kann eine sinnvolle Lösung sein. Klar definierte nachhaltige Anlagen können diese Strategie ergänzen und die Portfolios weiter diversifizieren.
Die Aufgabe besteht darin, Nachhaltigkeit nicht als radikale Veränderung zu sehen, sondern als evolutionären Prozess. Indem wir auf wissenschaftliche Kriterien setzen und gleichzeitig nachhaltige Prinzipien berücksichtigen, können wir die Herausforderungen bewältigen und gleichzeitig eine verantwortungsvolle Geldanlage und Altersvorsorge sicherstellen.